Im Zeichen des Ameisenbären
Es war ein glücklicher Zufall, dass Petra Sammer, Kreativdirektorin der Agentur Ketchum Pleon in Deutschland, von einem Freund gebeten wurde, einer an PR interessierten Studienabgängerin einen Einblick Berufsfeld der Öffentlichkeitsarbeit zu geben. Denn beim Treffen mit der jungen Frau wurde Petra Sammer klar, dass es in der PR der Gegenwart mehr denn je auf gute Geschichten ankommt – gemäß dem alten Stehsatz: „Tue Gutes und rede darüber“. Und dass gute Geschichten kein Zufall, sondern von mehreren Faktoren abhängig sind.
Dieses Treffen animierte Petra Sammer, ihr Wissen über das Thema in einem Buch zusammenzufassen: „Storytelling. Die Zukunft von PR und Marketing“ darf als Referenzwerk für die PR-Branche angesehen werden. Es ist fundiert geschrieben, mit zahlreichen aktuellen Beispielen unterfüttert und in der Argumentation perfekt ausbalanciert.
Ausgangspunkt für Sammer ist Simon Sineks „Goldener Kreis“, mit dem der amerikanische Unternehmensberater seit 2009 darauf aufmerksam macht, wie wichtig es ist, in der Kommunikation nicht nur das Was und Wie zu vermitteln, sondern auch das Warum; denn die Menschen würden nicht Produkte kaufen, sondern Beweggründe, die hinter den Produkten stehen. – Das gilt freilich nicht für den 1-Euro-Shop. Aber wenn man etwa österreichische Klein- und Mittelbetriebe heranzieht, dann ist GEA ein Paradebeispiel dafür, wie man mit Unternehmensphilosophie (Waldviertler) Schuhe und andere Handwerkserzeugnisse verkaufen kann. Einfach indem man in jeder Broschüre und in jedem Werbeprospekt die tieferen Beweggründe für sein Tun mitschwingen lässt. Im Fall von GEA sind das die regionale Verbundenheit mit dem Waldviertel, die Pflege alter Handwerkskunst und der Kampf gegen die Auswüchse des Finanzkapitalismus.
Fünf Bausteine für gute Geschichten
Und so wären wir bereits bei Petra Sammers Baustein Nummer 1 für gutes Storytelling, dem sie in ihrem Buch ein ganzes Kapitel widmet: “Jede gute Geschichte hat einen Grund, erzählt zu werden – die sinnstiftende Marke“.
Die weiteren Bausteine (und Kapiteltitel) sind:
- Jede gute Geschichte hat einen Helden
- Jede gute Geschichte beginnt mit einem Konflikt
- Jede gute Geschichte weckt Emotionen
- Und: Jede gute Geschichte entwickelt virale Kraft in verschiedenen Kommunikationskanälen
Petra Sammer gibt in den Kapiteln zahlreiche Anregungen, Tipps und Tricks, wie man diese Storytelling-Bausteine in der eigenen PR-Kampagne einsetzen kann und worauf jeweils das Augenmerk zu lenken ist. Abgerundet wird das Buch mit einem Kapitel über Kreativmethoden, die helfen sollen, Geschichten zu finden, und von Ausblicken in die Zukunft des Storytelling.
Kritik? – Viel Licht, wenig Schatten!
Wenn man einen Schwachpunkt von Petra Sammers Werk sucht, dann ist es vielleicht der, dass der konkreten Arbeit an Storys weniger Beachtung geschenkt wird: Wie man Geschichten erzählt, wie man sie schreibt und wie man die Erzähllinien führt, das wird höchstens am Rande gestreift. Aber für diese Dinge gibt es zum Glück andere Bücher – wie „Storytelling im Journalismus“ von Marie Lampert und Rolf Wespe. Petra Sammer dagegen hat den Blick fürs große Ganze, also für den Nutzen von Geschichten in der Unternehmenskommunikation. Und man findet in ihrem Buch unzählige Anregungen, sich im und für das eigene Unternehmen oder für seine PR-Kunden auf die Suche nach guten Geschichten zu machen, sie nach Story-Leckerbissen zu durchwühlen wie der Ameisenbär, der das Cover des Buches ziert.
Petra Sammer: Storytelling. Die Zukunft von PR und Marketing. O’Reilly Basics: Köln 2015