Mississippi-Storys an der Raab
Chuck LeMonds hat den Blues, und das ist gut so! Der in St. Louis geborene und in Gleisdorf lebende Gitarrist und Sänger legte 2019 mit „Ghost in the Wishing Well“ sein mittlerweile 11. Album vor.
Der norwegische Dobro- und Steelguitar-Virtuose Knut Hem und der österreichische Weltklasse-Bassist Peter Herbert standen dem Wahl-Steirer bei den Aufnahmen des neuen Albums zur Seite. Chuck LeMonds hat schon vor knapp 30 Jahren die endlosen Weiten seiner amerikanischen Heimat mit den vergleichsweise engräumigen „rolling hills“ der Oststeiermark getauscht und sich der Liebe halber in der kleinen Stadt Gleisdorf niedergelassen. In seiner Musik aber hat ihn das Feeling des „Ol‘ Man River“ nie losgelassen. Alben wie „Mississippi Angel“ (2007) oder „The Rivers Call“ (2013) zeugen von seiner tiefen Verbundenheit mit dem mythischen Strom, der die USA von Nord nach Süd durchfließt und zumindest musikalisch die Kulturen der am Fluss ansässigen Menschen – Schwarze, Weiße und Indianer – miteinander verschmelzen ließ.
In seinen Songs erzählt LeMonds Geschichten vom Suchen, vom Unterwegssein, aber auch vom Heimweh. So etwa im biographisch gefärbten Woes of an Immigrant (Klage eines Immigranten): „All I ever loved is an ocean away. I never thought I’d miss the bread baked fresh every day. … Am I losing all that I have cherished and made me who I am?” (Alles, was ich je geliebt habe, ist einen Ozean entfernt. Ich dachte nie, dass ich das täglich frisch gebackene Brot vermisse würde. … Verliere ich all die Dinge, die ich anstrebte und die mich zu dem machten, der ich bin?)
Enorm groovendes Gitarrenspiel
Damit der Blues die Zuhörer nicht überwältigt, folgt der melancholischen Immigranten-Klage auf „Ghost in the Wishing Well“ die lebenspralle Ballade von der schönen Ginny, die lieber am Fluss angelt, als sich um die Blicke der Männer zu kümmern. Auf Zydeco Ginny tragen US-Gitarrist Arkadiy Yushin und Harmonikaspieler Gerhard Burger, aber auch die virtuose Blues-Harp von Stephan Rausch zum mitreißenden Südstaatenklang bei.
Auf seinem neuen Album zeigt Chuck LeMonds einmal mehr, dass er nicht nur ein versierter Geschichtenerzähler, sondern auch stilistisch mit vielen Wassern gewaschen ist – von Country, Folk und Blues bis hin zum kreolischen Zydeco-Stil Lousianas. „Der Mittelpunkt von Chucks Musik erwächst aus der akustischen Guitar-Fingerstyle-Technik und aus einem technisch ausgefeilten, enorm groovenden Gitarrenspiel“, urteilt etwa das österreichische Blues-Urgestein Ripoff Raskolnikov über den Kollegen aus Amerika.
Geister der Vergangenheit
Musikalisch ist LeMonds nach wie vor eng mit den USA verbunden: Zahlreiche Musikerinnen und Musiker begleiten ihn seit Jahren, darunter Arkadiy Yushin oder die Multi-Instrumentalisten Mary Gaines & Chris Wagoner aus Madison, Wisconsin. Einer der treuesten musikalischen Gefährten von Chuck LeMonds ist aber der Fürstenfelder Gitarrist Klaus Ambrosch. Mit ihm veröffentlichte LeMonds 2015 das Album „A Walking Paradise“, auf dem der Singer-Songwriter ebenfalls die Geister der Vergangenheit wachruft. So etwa im rockigen Cape Girardeau Blues, benannt nach der Mississippi-Grenzstadt zwischen Missouri und Tennessee, in der Chucks Vater eine Zeit lang in einem abgestellten, grün lackierten Schulbus lebte. LeMonds ließ sich bei diesem Album aber auch von der Lebensphilosophie seiner Großmutter inspirieren, die fünf Kinder allein aufzog, und deren Motto lautete: „It Don’t Cost to Dream“ – Träume kosten nichts. Und im elegischen Titel „Drone of a Motor“ (Das Dröhnen eines Motors) legt er seine eigene Lebensanschauung dar. „Ich habe den Song im Urlaub auf der griechischen Insel Kefalonia geschrieben“, erzählt LeMonds. „In der Nacht wurde ich vom Brummen eines großen Schiffes geweckt, und die Strophen für das Lied sind wie im Schlaf aus mir herausgekommen. Es ist so etwas wie mein Bekenntnis geworden.“ Im Song heißt es unter anderem: „All the monuments to mankind can not slow the years […] To learn to love without fear would be a feat worth pursuing.” (All die Denkmäler der Menschheit können die Jahre nicht verlangsamen. … Lieben zu lernen ohne Angst, wäre eine Leistung, die zu verfolgen sich lohnte.)
Akribische Studioarbeit
Die Ideen für Lieder kommen oft schnell, bei der Fertigstellung lässt sich Chuck LeMonds meist Zeit. „Manchmal stehen Text und Struktur eines Songs in vier Stunden, und dann braucht es Monate für den Feinschliff,“ erzählt er. Diese Feinarbeit hört man seinen Songs an. Die Grundspuren werden im eigenen Studio in Gleisdorf aufgenommen, diverse Overdubs dann von den befreundeten Musikern in ihren eigenen Studios ergänzt. “Dabei lasse ich meinen Partnern meistens alle Freiheiten, denn es sind so großartige Musiker, die bringen oft die unglaublichsten Ideen ein.”
111 Songs hat Chuck LeMonds bisher aufgenommen. Und es ist zu hoffen, dass noch Dutzende dazukommen – selbst wenn der Songwriter meint: „Jedes Mal, wenn ich ein Lied geschrieben habe, weiß ich nie, ob das noch einmal passieren wird.“
Chuck hat auch eine sehr informative Homepage: www.chucklemonds.org