Habe die Ehre

Die steirische Delegation der Grazer Autorenversammlung GAV hat Ende Juni 2015 wieder eine ihrer Jahreslesungen abgehalten. Motto des Abends im Steinernen Saal des steirischen Landhauses in Graz: „Die GAV gibt sich die Ehre“. Alle Poetinnen und Poeten wurden von Günter Eichberger (rechts im Bild) und IG-AutorInnen-Chef Gerhard Ruiss (links) ausgezeichnet und lasen im Gegenzug Texte zum Thema Ehre. Auch ich habe versucht, mir einen Reim auf diesen etwas antiquierten Begriff zu machen. Das „Gedicht auf die Ehre“ ist das launige Ergebnis.

 

Gedicht auf die Ehre

Ich träumte in den lichten Höhen der Stratosphäre
Von einer Dichterfürstentraumkarriere
Bis mich zog des Alltags Erdenschwere
Hinunter in die gemeine Berufsmisere.
Ich muss gestehen: Meine Jobpremiere
war ernüchternd,
sie war eine richtiggehend ordinäre
Erfahrung einer männlichen Hetäre,
die sich der drohenden Verarmung
durch Geistesprostitution erwehre:
bei Tage spröde Sprache vor Studenten lehre
und sich des Nachts nach wahrer Dichtung verzehre.

Kurz: Meine Ziele waren hehre,
doch ich versäumte die letzte Fähre
nach meines Traumes Finis Terre.
Ich wollte, dass mein Ruhm sich mehre
durch Sprache, so schön,
wie sie noch nie vernommen worden wäre;
mit Sprache, durch die jeder, der sie höre,
sich sofort bekehre
zur reinen Poesie: der holden Zauberbeere
der Dichtung –
und ich landete bei der Musen Schimäre
einer bessren Welt ganz ohne Barriere,
um dort Musen zu beschmusen, bitte sehre
und zu schwelgen im Rhythmus der Galeere
des Reims, dessen Ruderschläge ins Innere
des Fühlens führten, des reinen Gedusels Meere.

Allein: Ich erlitt Schiffbruch!
Die Enttäuschung war eine bittere,
denn zu viel kam mir in die Quere
und endigte die Dichterfürstentraumkarriere
noch ehe sie begonnen wäre.

Was bleibt, ist: Leere, Leere, Leere.

Gezeichnet, Wernher der Gartenaere,
geschrieben mit der Bastelschere.

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