Die Liebe zur Mörderin

Bettina Balàka ist in literarischer Hochform. Ihr neues Buch „Die Prinzessin von Arborio“ ist vom Stoff her ein Krimi, vom Ergebnis aber ein psychologischer Roman, erzählerisch perfekt austariert wie ein federleichtes Mobile.

Alles wirkt unangestrengt und harmonisch an diesem Buch, in dem eine dreifache Mörderin aus Wien und ein Polizeipsychologe, der dem Charme der Mörderin erliegt, im Mittelpunkt stehen. Die von den Medien als „Eislady“ titulierte Wiener Doppelmörderin Estibaliz C. stand der Figur der Elisabetta Zorzi in Bettina Balàkas neuem Roman vermutlich Patin. Denn auch Zorzi, wie sie von allen genannt wird, hat das Leben von Männern, mit denen sie zusammenlebte, auf dem Gewissen – sogar drei an der Zahl: Der erste will sie umformen und animiert sie zu einer Schönheitsoperation nach der anderen. Der zweite betrügt sie mit einer Reihe anderer Frauen. Und der dritte hat sich in ihrer Wohnung breitgemacht und will, dass alles nach seinem Plan läuft; Kinder sind da nicht vorgesehen, obwohl sich Zorzi so sehr welche wünscht. Die schöne Elisabetta, Betreiberin eines gut gehenden italienischen Restaurants, in dem sich die Wiener Schickeria ob der genialen Risottos trifft, entledigt sich der Männer auf ihre Weise: Nummer eins erhält bei einer Bergtour einen Schubs, der ihn 200 Meter in die Tiefe stürzen lässt; Nummer zwei bekommt bei einem Segeltörn in Kroatien eine Kugel in den Kopf und dann einen Bleigürtel um den toten Körper; und Nummer drei ein isotonisches Getränk mit einer Überdosis K. O.-Tropfen als Labung mit auf die Mountainbike-Tour, die ihn alsbald ins Jenseits befördert. Wäre da nicht ein heißer Tag und ein durstiger Profiler namens Arnold Körbler, der im Kühlschrank der Zorzi zu einer vergifteten Flasche Gatorate greifen will, die Morde wären vermutlich nie aufgeflogen. So aber geht die Rechnung für Elisabetta, die „Prinzessin von Arborio“, nicht auf.

Wie ist eine Frau gestrickt, die sich ihrer unliebsamen Beziehungen auf so drastische Weise entledigt? – Das ist die Frage, die den Profiler Arnold Körbler obsessiv beschäftigt, und die Bettina Balàka in ihrem Roman auf souveräne Weise umkreist. Ab der Mitte des Buches verschiebt sich die Perspektive: Weg von den Morden, hin zur Beziehung, die der Polizeipsychologe zur nunmehr verurteilten Mörderin bei Besuchen im Gefängnis aufbaut. Genau wie Körbler ist man auch als Leser fasziniert von der Figur der Dreifachmörderin: Balàka zeichnet Elisabetta Zorzi als sensiblen, mitfühlenden, kultivierten und hochintelligenten Menschen. „Mich fasziniert schon seit Jahren das Phänomen der Hybristophilie, also die Liebe zu Schwerverbrechern, die praktisch zu 99 % Frauen betrifft“, erklärt Bettina Balàka im Gespräch. „Für den Feminismus eine unangenehme Sache, über die nicht gerne geredet wird. Ich habe mich gefragt, gibt es das auch umgekehrt – naja, sehr selten, und wenn, dann muss die Mörderin wirklich sehr gut aussehen. Ich wollte dann auf jeden Fall darüber schreiben, indem ich die Geschlechterrollen umkehre.“

Anders als im konventionellen Krimi macht Balàka aus der Krimihandlung keine Schnitzeljagd, im Gegenteil: Alle Taten werden ausgeleuchtet; wer die Mörderin ist, steht nie in Frage. Und doch ist das Buch packend zu lesen, was vor allem daran liegt, dass die Figuren so vielschichtig gezeichnet sind. Feine Ironie, zarte Gefühle und kaltblütige Taten halten sich perfekt die Waage. Ein hervorragend erzähltes Buch!

Werner Schandor

Bettina Balàka: Die Prinzessin von Arborio. Roman. Haymon Verlag: Innsbruck 2016. 262 Seiten.

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