Handbuch zur Holocaust Education
Wie lässt sich dieses dunkle Kapitel des Holocaust auf eine Weise beleuchten, die jungen Menschen hilft, ihre Fähigkeit zu Empathie und Menschlichkeit zu vertiefen, und die gleichzeitig das Andenken an die Opfer bewahrt und ehrt? – Antworten auf diese Fragen gibt das Buch „Holocaust Education“, herausgegeben vom Grazer Verein „Haus der Namen“.
Im Herbst 2022 erhielt ich eine Anfrage, die mir großen Respekt abverlangte: Ob ich die Beiträge vom Sammelband „Holocaust Education“ lektorieren könne? – Ich war mir nicht sicher, ob ich das stemmen würde, aber ich wollte es versuchen. Einerseits habe ich durch mein Studium der Erziehungswissenschaft Erfahrung im Umgang mit pädagogischen Texten, andererseits war der Holocaust das geschichtliche Ereignis, das mich beim Aufwachsen in den 1970er- und 80er-Jahren beschäftigt hat wie kaum ein anderes. Sprich: Ich hatte nach dem Schock, den die Gräuel des Holocaust in mir als Heranwachsenden auslösten, den Transformationsprozess durchgemacht, zu dem das Buch anregen will.
Didaktische Erkenntnisse aus der Praxis
„Holocaust Education“ fußt auf den Erfahrungen, die die Herausgeberin Ruth Kaufmann und ihre Mit-Autorinnen und -Autoren rund um die Ausstellung „Bertl und Adele. Zwei Kinder im Holocaust“ gesammelt haben. Die Ausstellung war von 2015 bis 2022 in Graz zu sehen und machte die Schrecken der Zeit an den unterschiedlichen Schicksalen von zwei Grazer Kindern bzw. Jugendlichen fest, die den Holocaust erlebten. Der Familie von Bertl Kaufmann gelang die Flucht nach Palästina. Als Junge erlebte er zur Zeit des bejubelten „Anschlusses“ von Österreich an Nazi-Deutschland mit, wie die Juden Schritt für Schritt ausgegrenzt, gedemütigt, entrechtet, beraubt, geschlagen und schließlich ermordet wurden. Nach dem Krieg kehrte er als einer der Wenigen in seine Heimatstadt zurück. Bertls Schicksal wurde im Rahmen der Ausstellung ergänzt um jenes der gleichaltrigen Adele Kurzweil. Über ihr Leben wissen wir Bescheid, weil im Jahr 1990 beim Umbau einer französischen Polizeistation ein Koffer mit ihren Habseligkeiten entdeckt worden war: Auch die Grazer Familie Kurzweil floh aus Österreich, aber sie wurde in Frankreich vom Unwesen des Naziwahns eingeholt. Adele wurde 1941 mit ihrer Familie nach Auschwitz gebracht und ermordet.
Diese beiden Schicksale bildeten den Kern der Ausstellung „Bertl und Adele“. Die Geschichten der beiden Jugendlichen wurden eingebettet in historische Informationen über die Geschichte der Juden in Europa, über Antisemitismus und nationalsozialistischen Rassenwahn, der in der Generation unserer Großeltern zur organisierten Ermordung von Millionen Menschen führte. Was lässt sich tun, um derartiges Grauen in Zukunft zu verhindern?
Die Entwicklung von Toleranz und Mitgefühl anregen
Jungen Menschen durch die Vermittlung des Holocaust auch die Bedeutung von Toleranz und Mitgefühl erfahrbar zu machen, ist das Kernmotiv des Buches „Holocaust Education“. Die Psychologin Ruth Kaufmann begreift schulische und geschichtliche Bildung als Möglichkeit, Wandlungs- und Entwicklungsprozesse in (jungen) Menschen anzuregen. Das Handbuch „Holocaust Education“ zeigt daher auf, wie die historischen Fakten didaktisch und pädagogisch förderlich im Unterricht behandelt werden können. Lehrer, die in ihrem Unterricht den Holocaust behandeln, aber auch andere Berufsgruppen, die in der Vermittlungsarbeit tätig sind, finden in diesem Buch klare Richtlinien für die Beschäftigung mit einem der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte vor.
Heterogenes Manuskript
Die zum Teil sehr heterogenen Texte des Manuskripts durch das Lektorat in einen Guss zu bringen und dadurch die gute Lesbarkeit des Buches zu gewährleisten, war ein großes Stück Arbeit. Ich bin stolz darauf, meinen Teil zum Gelingen dieser Publikation beigetragen zu haben.
Ruth Kaufmann (Hrsg.) u. a.: Holocaust Education. Richtlinien für die Vermittlung des Holocaust, um Bildungsprozesse zu initiieren. Haus der Namen: Graz 2023. ISBN 9-798386-282837