Meine Notizbuch-Hitparade

Als gepunktetes „Bullet Journal“ für die Selbstorganisation erlebt das gute, alte Notizbuch derzeit eine Renaissance. Die Gedanken und Pläne handschriftlich in ein gebundenes Buch zu bringen, das hat etwas Klärendes und Entspannendes. Aber Buch ist nicht gleich Buch. Selbst wenn man die Massenware der Schreibwarenketten beiseitelässt, ist die Auswahl riesig. In diesem Text stelle ich meine Erfahrungen mit einigen Premium-Notizbüchern vor und verrate meine Favoriten.

Seit über 25 Jahren fülle ich gebundene Notizbücher in DIN A5 mit meinen Ideen und literarischen Skizzen. Während ich als Student ausschließlich zu günstigen Schreibbüchern griff, achte ich seit einigen Jahren auf die Qualität. Von den verschiedenen Komponenten – Bindung, Papier, Ausstattung – ist mir das Papier am wichtigsten: Es soll samtig glatt, naturweiß und nicht zu dünn sein, damit sich die Füllfedertinte nicht auf der Rückseite abzeichnet. Auf Lesebändchen und anderen Schnickschnack kann ich zur Not verzichten.

Ich kaufe ein neues Notizbuch, wenn sich das aktuell benutzte dem Seitenende nähert. Dabei mache ich gerne Entdeckungen in Fachgeschäften, und auf Städtetrips besuche ich Papierläden und Museumsshops, um neue Marken kennenzulernen. Im Folgenden schildere ich meine subjektiven Eindrücke von Schreibbüchern der Marken Ciak, Dingbats, Moleskine, Leuchtturm1917, Paperblanks, Paper-Oh und Rhodia.

Die Platzhirsche auf den Rängen

Moleskine Classic

Das Moleskine ist so etwas wie der Volkswagen unter den Notizbüchern. Es bietet vor allem einen sagenhaft guten Gründungsmythos, wonach der legendäre Bruce Chatwin die Eindrücke seiner „Traumpfade“-Reise durch Australien in Notizbüchern dieser Art festgehalten hätte. Nachzulesen in jedem Moleskine-Buch …

  • Gut: Handliches Format, Ausstattung mit Lesebändchen, Elastikbandverschluss und Falttasche im hinteren Umschlag, um Zettel und dergleichen zu verstauen. Mittlerweile liegen auch Etiketten zum Bekleben bei. Umschlag und Bindung sind solide. Das klassisch-schlichte Design mit dem schwarzen Einband wird oft imitiert.
  • Schlecht: Das Papier bei meinem ersten, 100 Seiten umfassenden Moleskine aus dem Jahr 2007 war ziemlich stark, hatte mindestens 110 g/m². Mein nächstes „kleines Schwarzes“ aus dem Jahr 2012 war gleich dick, hatte aber doppelt so viele Seiten. Laut Firmenhomepage beträgt die Papierstärke mittlerweile nur noch 70 g/m². Jedes durchschnittliche Kopierpapier hat eine Grammatur von 80 g/m². Daher sind die Blätter in den Moleskines eher labbrig, und die Tinte schlägt leicht durch.
  • Fazit: Nicht mehr mein Ding.
Gut vertreten in heimischen Geschäften: Moleskine, Paperblanks und Leuchtturm1917


Paperblanks

Das kanadische Label Paperblanks dominiert das Angebot in Papierfachgeschäften und Museumsshops.

  • Gut: Beim feinen Papier gibt’s nichts zu meckern. Und auch die grobe offene Fadenheftung früherer Bücher ist einer feineren Verarbeitung gewichen. Paperblanks gibt es in verschiedensten Stärken und Ausführungen.
  • Gewöhnungsbedürftig: Im Unterschied zu Moleskine, das mit schwarzen Einbänden auf klassische Moderne setzt, sind die Einbände von Paperblanks-Büchern auf einer nach oben offenen Kitschskala angesiedelt. Schillernde tibetische Mandala-Motive finden sich ebenso im Angebot wie orientalische Ornamente, Klimt’sche Motive und schlimmere ästhetische Verirrungen.
  • Zwischen den Stühlen: Was mich bei den Büchern stört, ist das Format: A5 gibt es nicht. Man muss sich zwischen Ultra (180 x 230 mm) oder Midi (130 x 180 mm) entscheiden. Das eine ist mir eine Spur zu groß, das andere einen Tick zu klein.

Leuchtturm1917

„Deutsche Gründlichkeit“ prangt imaginär in fetten Lettern über den Büchern von Leuchtturm1917.

  • Gut: Die Bindung ist bombenfest, die Umschläge gibt’s in verschiedenen Farben, die 250 Seiten sind nummeriert und die hinteren 8 Blätter perforiert, falls man ein Blatt herausreißen möchte. Neben Gummiband zum Verschließen, zwei Lesebändchen und einer Falttasche im hinteren Umschlag gehören auch ein Inhaltsverzeichnis, Etiketten zum Beschriften und Archivieren und ein beidseitig bedruckter Linienspiegel (liniert/kariert) zum Lieferumfang. Ausstattungsmäßig der volle Streber!
  • Schwierig: Ein A5-Buch von Leuchtturm1917 bringt 410 g auf die Waage und ist damit um ein Viertel schwerer als ein Moleskine. Lieber wären mir 80 Seiten und mindestens 50 Gramm weniger und dafür ein bisschen dickeres Papier, denn auch beim Leuchtturm (Papierstärke 80 g/m²) schlägt die Tinte noch leicht durch.
  • Fazit: Bitte ein bisschen dickeres Papier! Dann schneide ich das zweite Lesebändchen weg, das ich nicht brauche, und sage: Perfekt!

Der Italo-Hit: Ciak

Der Name Ciak soll lautmalerisch sein und an das schnalzende Geräusch erinnern, das der Elastikbandverschluss macht, der in der Mitte des Buches horizontal angebracht ist. Ciak gehört zur Firma „In Tempo“ mit Sitz in Florenz, und bei dieser geografischen Verortung ist schlichte Eleganz gewissermaßen vorprogrammiert.

Molto bene: Das elegante Notizbuch von Ciak
  • Gut: Außer dem Gummiband, das sich horizontal übers Buch spannt, sind die Notizbücher frei von Spompernadeln: Der Kunstledereinband ist ebenso handschmeichlerisch wie das nicht zu glatte, 100 g/m² dicke Papier. Dazu noch ein Lesebändchen, fertig ist das Büchlein von gediegenem Understatement.
  • Fazit: Große Klasse, aber leider in sehr wenigen heimischen Läden erhältlich. Nicht mal in den Papiergeschäften von Firenze ist es zu finden.

Meine Favoriten: Paper-Oh und Rhodia

Paper-Oh Circulo

2016 ist mir das moderne Punktraster-Design am Karton-Umschlag eines Notizbuches im Shop vom Kelvingrove Museum in Glasgow ins Auge gesprungen. Die Marke Paper-Oh war mir neu. Überraschung: Paper-Oh gehört zur Mutterfirma von Paperblanks. Es ist gewissermaßen die moderne Linie im Programm.

  • Gut: Die Kartonflappe des Buches, das die Berliner Buchbinderin Nadine Werner designt hat, schließt mit kleinen Magneten. Das Paper-Oh-Buch ist nur 112 Seiten stark, wiegt keine 250 g und kostet auch nur knapp 8 Euro. Das Papier ist genau richtig, nämlich glatt und griffig zugleich. Das Buch lässt sich plan aufschlagen: Kein Knick stört die Schreibhand!
  • Was fehlt: Eine Innentasche; aber man könnte auch einfach ein Kuvert einkleben.
  • Fazit: Ein tadelloses Buch! Leider ignorieren die meisten Paperblanks-Händler die Marke Paper-Oh; die Bücher finden sich selten in einem Sortiment.
Die Lieblinge überzeugen durch Schlichtheit und gutes Papier: Rhodia und Paper-Oh

Rhodia Rhodirama

Die Notizbücher von Rhodia sind etwas für haptische Typen und sorgen wie jede stürmische Liebe für ein Wechselbad der Gefühle.

  • Gut: Der Umschlag aus Kunstleder ist fein wie Nappaleder. Im direkten Vergleich wirkt etwa der farbig überzogene Karton von Leuchtturm-Büchern glatt und leblos.
  • Gut: Das 90 g/m² schwere, elfenbeinfarbene Papier aus den Mühlen des französischen Papiererzeugers Clairefontaine nennt sich „Velin Velouté“ (samtiges Pergament) und fühlt sich genau so an.
  • Gut: Die Bücher gibt es in 15 verschiedenen Farben entweder als Softcover mit 160 Seiten (dann allerdings nur liniert oder gepunktet) oder als Hardcover mit 192 Seiten, letztere auch blank. Die Variante mit weichem Umschlag wiegt 260 g, die mit festem Einband 360 g, beide haben ein Lesebändchen und eine Innentasche.
  • Naja: Das eingeprägte Rhodia-Logo am Cover muss nicht sein. Ich mag aufdringliches Branding nicht.
  • Bitter: Im Frühjahr 2018 kaufte ich in einer Innsbrucker Buchhandlung ein Softcover-Exemplar mit Punktraster und war begeistert vom Papier. Im Herbst bestellte ich noch ein Rhodia, diesmal unliniert und mit festem Einband. Die große Enttäuschung: Das Papier trägt zwar die gleiche Bezeichnung wie beim Softcover, ist aber eine Spur zu glatt für meine bewährte Parker-Füllfeder. Auf allen anderen Papieren gibt es keine Probleme, nur ausgerechnet auf den Seiten im Rhodia-Buch setzt der Tintenfluss immer wieder aus. Eine Konsultation im Füllfeder-Fachgeschäft hat meinen Verdacht bestätigt: Parker in Ordnung (Gottseidank), Papier zu glatt.
  • Fazit: Ein Luxusproblem, ich weiß. Trotzdem schade.

Das Verheißungsvolle: Dingbats

Edles Äußeres, gute innere Werte: mein nächstes Notizbuch

Im Museumsshop vom Grazer Kunsthaus bin ich auf die libanesisch-britische Marke Dingbats gestoßen, die Umweltfreundlichkeit geschickt zu vermarkten weiß: Die Kunstledereinbände mit eingeprägten Naturmotiven werden als „vegan“ angepriesen, und pro verkauftem Buch geht ein Drittel an den WWF. Schön. Was für mich noch mehr zählt, sind die inneren Werte des Produkts, und die sind einigermaßen vielversprechend: feines, 110 g/m² schweres Papier (jede Seite perforiert), gute Bindung, Lesebändchen und Innentasche am hinteren Einband. Das ergibt ein verheißungsvolles Gesamtpaket. Das Gewicht des Buches ist mit 450 g recht happig, und einen Haltegummi für einen Stift benötige ich eigentlich nicht. Ob sich das Papier mit meiner Füllfeder verträgt, werde ich in den kommenden Wochen herausfinden …


Das Resümee

Mit Notizbüchern ist es wie mit dem perfekten Grillbesteck, der perfekten Kamera, dem perfekten Drucker: Man kann mit Hingabe dem Phantom Perfektion hinterherjagen. Und die Jagd kann sogar Spaß machen.

Wer Empfehlungen oder Tipps auf Lager hat, welche schönen Notizbücher das Schreiben beflügeln, kann mir über die Kontakt-Seite gerne ein E-Mail zukommen lassen. Ich freue mich über jeden Hinweis!

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